Montag, 21. Januar 2008

Japan und die grauen Seiten des Lebens

Hallo miteinander! Die neue Schulwoche ist gestartet (beziehungsweise, für mich ist der erste Schultag schon vorbei), und ich entschuldige mich schon im vornerein, dass es jetzt ein ziemlich ernstes Thema wird.

Heute in der zweiten Stunde hatten wir Japanischlektion mit Julies Lehrerin. Das coole an der Stunde ist: Sie hat kein Konzept. Wir kriegen keine Blätter, wir kriegen keine Infos, jedenfalls keine Vorbereitete. Sie fängt mit irgendeinem Thema an- und wir reden darüber. Meist sogar in Englisch.
Das gute an dieser Stunde ist aber: wir lernen viel über die Japanische Gesellschaft, und nebenbei fügt sie immer viel sprachliches ein, Kanji, Vokabeln und Sprichwörter die wichtig sind.

Und dieses Mal sind wir Stark abgedriftet -
Angefangen haben wir mit dem Kanji 親 "Oya", was soviel wie "ELTERN" bedeutet. Ich hab die Lehrerin gefragt, warum man neben

母 "Haha" (Mama) und 父 "Chichi" (Papa) manchmal auch

母親 "Hahaoya" und 父親 "Chichioya" sagt.
Die Lösung ist einfach. Wenn jemand beispielsweise "Chichioya" braucht und nicht das normale "Chichi", dann bedeutet das, dass der Vater ALLEINERZIEHEND ist. (Ebenso wie bei Haha.)

Von diesem Thema sind wir zur "Scheidung" gekommen, das ist einer der Gründe, warum jemand "Chichioya" oder "Hahaoya" gebraucht, und es sind sehr interessante Dinge dabei rausgekommen.

Wusstet ihr, dass in Japan jedes VIERTE Paar geschieden wird? Kaum zu glauben. Es war mir bekannt, dass japanische Frauen sich oft als "entwertet" angesehen haben, wenn der Mann sich von ihr getrennt hatte- und die Entwertung ging soweit, dass sie sich das Leben genommen haben.
Ich war ziemlich erstaunt, als meine Lehrerin gesagt hat, dass das schon seit Ewigkeiten nicht mehr so ist. In der heutigen Generation sei das Scheiden sehr häufig geworden - stellt euch vor, wenn sich jede Frau das Leben nehmen würde die geschieden worden ist, dann würde die Bevölkerung Japans jährlich um einen Achtel fallen!

Und trotzdem (und damit komme ich jetzt auf die Dunklen Seiten zu sprechen) ist Japan noch immer führend in der "Suizidstatistik".
Überlegt euch an dieser Stelle bitte, wie hoch diese Rate jährlich ist. Nehmt einen Stift zu Hand und schreibt die Zahl, die ihr euch denkt auf. Die "Auflösung" gibt es später.
Forscht nicht nach und seid ehrlich - auch wenn ihr nicht gut im schätzen sein solltet! Überlegt euch auch, wo die Sterberate höher ist - bei dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht?

Nun, zurück zur Scheidung, die meisten Paare scheiden sich in den zwanzigern oder den fünfzigern. Das an sich ist schon eine Interessante Sache. In den Zwanzigern ist man noch jung, man heiratet schnell, und trennt sich ebensoschnell auch wieder. Das sollte uns nicht unbekannt sein, schliesslich erreichen uns Nachrichten von Promi-Scheidungen auch wöchentlich. (Den Rekord, nur 8 Stunden (glaube ich..) verheiratet zu sein wie Britney Spears, das könnt schon schwieriger werden, den zu knacken.....

In den 50ern kommen wir jetzt auf ein tragisches Phänomen zu sprechen.
In den 30/40ern sind die Frauen die, die den Mann unterstützen und versuchen, ihm die grösstmöglichen Lasten abzunehmen. Sie warten darauf, bis der Mann endlich pensioniert wird, das ist auch verständlich.
Nun, jetzt gibt es einige Frauen, die ziemlich arg sind.
Zur Ende seiner Arbeitszeit, bekommt der Mann eine sehr hohe Summe seiner Arbeitsstelle ausgezahlt. (Ich weiss nicht wie viel, aber so wie meine Lehrerin, Yukiko genannt übrigens, das erzählt hat, muss es sich wirklich um eine grosse Summe handeln!)
Zwanzig Jahre ausgehalten mit ihrem Ehepartner, nimmt sich die Frau dann das, was ihr zugesteht: Sie nimmt die Kinder, verlässt den Mann - und lässt die Hälfte seines Reichtums mitgehen. Wie gewonnen, so zerronnen.
Die Erklärung der Frauen ist weitgehend einfach: "Ich habe dich unterstützt, so lange Zeit und getan was ich konnte. JETZT bin ich an der Reihe."
Das mag also bedeuten, dass die Frauen, selbst wenn sie ihren Partner nicht mehr liebten, bei ihm blieben. Zu gehen, bevor der letzte grosse Lohn ausgezahlt wurde - das wäre reine Verschwendung - was macht da schon ein weiteres Jahr aus?

Ihr werdet euch jetzt denken: "OH GOTT! Japanische Frauen sind das SCHLIMMSTE!!"
Das könnte man auf den Ersten Blick wirklich meinen. Aber mit ein bisschen mehr Informationen, kann man leicht einen Einblick in dieses Trauerspiel gewinnen..


Zurück zur Suizidrate, die hat nämlich eine sehr enge Beziehung zu der Scheidungsrate.
Ich hoffe, ihr habt euch alle Gedanken gemacht, wie hoch die Rate ist? Ich löse hier mal auf: Jährlich sterben in Japan um die 30 000 Menschen durch Suizid - vorwiegend Männer.
Vielleicht sind jetzt einige von euch erstaunt (ich war es jedenfalls), aber es ist wirklich so.

Die Erläuterung folgt auf dem Fusse.

WAS ist eigentlich der WERT eines Mannes?
Beschrenkt man sich nur auf diese Frage und sieht diese Objektiv, dann lautet die Antwort wohl so:
- Eine Famile
- Kinder
- Beruf ----> Was ein Mann an Einkommen verdienen kann (-> Fähigkeiten) -> Wohlstand seiner Familie.

Natürlich sind da mehr Qualitäten, aber ich beschränke mich auf diese drei.
Bei einer Frau wäre es wohl:

- Famile
- Kinder
- Fähigkeiten im Haushalt (?)

Nun, die wichtigste Anforderung an einen Mann ist es, für seine Familie zu sorgen, und vorallem: Seine Familie Glücklich zu machen.
In einer Welt die von Geld regiert wird, ist es natürlich notwendig, sich mit Geld das Glück zu "erkaufen"; Sei es denn Lebensmittel für die Versorgung, Schulgelder für die Bildung, Klamotten für Mann, Frau und Kind. Geld ist lebenswichtig, und das überall.
Also ist Arbeit genauso wichtig, neben Glücksspiel und Preisen wohl die einzige Möglichkeit, an dieses Geld zu kommen.

Die Karriere ist also ein entscheidender Punkt. Wenn ein Mann also einen guten Beruf in seiner Company ausüben will, steigen und sich weiterentwickeln können, muss er viel arbeiten. Das Einkommen muss die ganze Familie zufriedenstellen können, und für das reichen, was die Familienmitglieder begehren.
Wer viel Geld bekommen will, muss viel arbeiten. Das gilt auch für die Wochenenden. Sei es Arbeit, oder ein Golfspiel mit dem Chef um die Beziehungen zu stärken, und das steigen des Rangs innerhalb des Geschäfts zu sichern. In Japan spielen Beziehungen grosse Rollen!

Nun, was bedeutet das jetzt?
Der Mann liebt seine Familie, und will sie mit allen Mitteln glücklich machen. Er will seine Kinder in gute Schulen schicken können, will ihnen beste Bildung garantieren, etc. Das bedeutet, er MUSS Karriere machen - und genau DA steckt die Falle. Männer, die versuchen, reicher zu werden als sie es schon sind, oder mehr Geld zu verdienen, als sie eigentlich benötigen.

Doch was genau passiert jetzt? Der Mann, der also Tag und Nacht, selbst am Wochenende unterwegs ist, verliert schlussendlich die Familie, die er so liebt (und wegen der er Arbeitet) aus den Augen.
Die Kinder sind allein, und werden von der Mutter alleine grossgezogen, währenddessen der Vater im Büro sitzt und schuftet, und kaum am Familienleben teilhaben kann.
Es dürfte nicht schwer zu sein, daraus jenes schlusszufolgern:
Die Kinder haben kaum Beziehung zu ihren Vätern. Ebenso die Frau nicht.

Wenn man das genau betrachtet herrscht auf einmal auf allen Seiten eine schlechte Stimmung,

Ein überarbeiteter Vater, eine alleinerziehende Mutter, Kinder, die vom Vater keine grosse Zuwendung erwarten können.
Und doch wird die Familie zusammengehalten.

Der Vater wird 50, hat hart gearbeitet, seiner Familie Willen. Die Kinder sind schon in der Highschool oder fertig mit ihrer Ausbildung, haben kaum grosse Interesse an ihrem Vater der "ohnehin kaum da war". Die Mutter ist schon seit längerem unzufrieden und will sich trennen von ihrem Mann, tut es aber erst, wenn er sein Schlusssaldo bekommt- genug um eine "neue" eigene Existenz aufzubauen. Die Familie bricht auseinander, das Geld, die Frau und die Kinder sind weg.
Das, wofür ein Mann so lange gearbeitet und sein Familienleben geopfert hatte, wurde schlussendlich für seine Mühe bestraft - weil er eben NICHT da war.

Das ist der Fluch der Männer, die versuchen, richtige Karriere zu machen - sie kommen an einen Punkt wo es nur noch zwei Wege gibt:

Karriere - oder nicht.

Wenn sein Plan, Karriere zu machen scheitert, dann sehen sie Oft keine Lösung mehr.
Keine Famile, Kinder, Frau, Geld, Job ist weg, keine Karriere - und man kommt zu dem Schluss, dass man selber alt geworden ist. An diesem Punkt angelangt, gibt es nichts lebenswertes mehr, und vielzahl dieser Männer, begehen dann Selbstmord. Tendenz steigend.


Ich selber habe ziemlich viel schlussfolgern können, und Yukiko meinte, ich sei die perfekte Japanische Frau, wenn ich verheiratet wäre.
Es ist nicht so, dass die Frauen böse sind- aber ich selber sehe es auch so. Es ist "Verschwendete Zeit", mit jemandem zusammenzuleben, den man nicht mehr mag, der nie für einen da ist, und den man die ganze Zeit verwöhnen und unterstützen muss... Das Leben ist kurz, und ich hätte garantiert keine Lust darauf. (klingt das jetzt hart?)


Naja, das ist jedenfalls einer der Hauptgründe für Suizid, neben Schulversagen und anderen Problemen.
Schon heftig irgendwie..
Bis jetzt habe ich erst einen suizidfall unbewusst mitbekommen, als bei einem Zug eine Verspätung angesagt wurde wegen "NinKarada Kollision" (Menschenkörperkollision)..



Tut mir Leid, das ist wirklich ein dunkles Kapitel, welches ich hier anschneide.. Aber ich denke, es ist doch SEHR interessant, und das für alle. Ich habe selber auch nie gewusst, warum in Japan die Sterberate so hoch ist..

Was haltet ihr davon?
Schon erschreckend oder?



Ich hoffe, ich habe euch jetzt nicht den schönen Vormittag unappetitlich gestaltet. Wünsche allen Lesern noch einen unfrostigen Tag (ich hab zum ersten Mal Bodenfrost gesehn!!), danke fürs Lesen!

Vera <3

(EDIT: Das heisst jetzt NICHT dass alle japanischen Männer überarbeitet sind und ihre Familie NIE SEHEN. Ich rede jetzt nur von denen, die Suizid begangen haben - eine der Gründe, warum soetwas schreckliches passiert ist.
So wie ICH bis jetzt das japanische Leben in meinen Familien wahrgenommen habe, ging es immer sehr Harmonisch zu und her, mit einem Vater, der sich sehr viel Zeit für die Familie nimmt...)
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